Natura 2000-Die Bedeutung der Felsflora.

Einleitung

Seit Jahrtausenden waren die Felsformationen in ihrer überwiegenden Mehrheit für Menschen egal ob aus Belgien oder dem Ausland unzugänglich. Die Erforschung begann erst ab den 1930er Jahren. Aus diesem Grund sind die Klippen weitestgehend von Menschen unberührt. Beeinflussungen, die an anderer Stelle, die Knappheit oder gar das Verschwinden vieler Arten verursacht haben (z.B. Brände, Entwaldung, Überweidung, Jagd, Verstädterung, Anbau, Pestizide ...) waren sehr gering. Durch diese Ruhe und Isolation waren die Felsen in der Vergangenheit oft die letzte Zuflucht für einige Arten (Vidal). Nach einer allgemein anerkannten Theorie und durch Pollenanalyse bestätigt war dies der Fall während der letzten Eiszeit (Ries, Würm). An verschiedenen eisfreien Zufluchtsortenwar dank einem günstigen Mikroklimas das überleben bestimmter Pflanzen- und Tierarten möglich; Ein Beispiel ist die Biscutella laevigata subsp varia. Diese Art ist zwar selten, aber immer noch in einigen Felswänden unseres Landes vorhanden. Derzeit werden die Migration und die Chromosomenveränderungen intensiv untersucht.

Biscutella laevigata

Biscutella laevigata subsp varia

dave-1

I.Felsökosysteme –Felswandökosysteme
 Es wurde festgestellt, dass sich die Biodiversität, in den vom Menschen nicht signifikant veränderten Ökosystemen, an die schwierigen Lebensbedingungen angepasst haben.
Anders als die meisten natürlichen Lebensräume entspricht der Lebensraum rund um die Felsen nicht einer spezifischen ökologischen Definition, sondern ist ein Mosaik von Mikrohabitaten. Für diese Vielfalt gibt es daher ein wichtiges Biodiversitäts Potenzial, das erhalten werden muss.
 In einer Felsformation gibt es drei wesentliche Erfolgs Faktoren: Die Standfestigkeit, das möglichst höchste Plateau und eine vertikale oder fast vertikale Fläche. Diese besteht dabei in der Regel aus verschiedenen Arten von Felsen, in Belgien betrafen unsere Beobachtungen hauptsächlich die Felsen aus Kalkstein und dolomitischem  Karbonatstein.          

II- Die Bedeutung der Felsflora. .
Unberührte Felsen sind normalerweise stark von niederen Pflanzen wie Moosen, Algen, Flechten und Farnen besiedelt. Dank Spalten, Ritzen und Vorsprüngen werden sich dort jedoch auch höhere Pflanzen entwickeln, insbesondere Arten von Trockenrasen, Nutzholz, Zwergsträuchern, Fetthenne und Sukkulenten.
 Die bibliographischen Untersuchungen, die wir über die Flora der Felsen durchgeführt haben, zeigen, dass die Felsen, unabhängig von ihrer Art und geografischen Lage, bisher nur wenig untersucht wurden. Das gilt natürlich besonders für jene, die nur schwer zu erreichen sind. Anstatt die Felsen zu besteigen, um die Pflanzen zu untersuchen, waren die meisten Autoren einfach nur mit einer Fernsicht zufrieden.1997 unternahm ich daher persönlich eine umfassende Erkundung von Felswänden, indem ich in repräsentative Wände  Kletterte.

P1010825 1024x768


Sedum album

Dianthus-gratianopolitanusAllium sphaerocephalonFestuca pallens

Bezugnehmend auf die Bedeutung der Felsen für die Erhaltung der Artenvielfalt, sollte Folgendes beachtet .werden:
1. Durch die Integration mehrerer Standortfaktoren, wie beispielsweise Wind- und Sonneneinwirkung sowie Temperaturunterschieden (Kälte im Winter, Hitze und Trockenheit im Sommer) und die Reaktion auf Umweltbedingungen und deren Variationen, sind bestehende Flora und Pflanzengesellschaften oft die letzte Zuflucht für Arten, die sehr wettbewerbsempfindlich sind.
2. Diese Flora weist eine Reihe von geschützen Arten auf und einige Pflanzengemeinschaften bilden echte Interessengemeinschaften (Natura 2000).

-8210 =  Kalkfelsen mit Felsspaltenvegetation

-6110 = Lückige basophile oder Kalk-Pionierrasen (Alysso-Sedion albi) .

3. Fels-Ökosysteme haben eine wichtige Rolle bei der Erhaltung bestimmter Pflanzen und Relikten von Pflanzengemeinschaften gespielt. Aufgrund eines günstigen Mikroklimas konnten sie klimatischen Schwankungen durch glazial-interglaziale Zyklen standhalten.
4. Pflanzen sind grundlegende Bestandteile der Nahrungskette und ein wesentlicher Teil des Ökosystems. Beeinflusst von lokalen Wetterbedingungen strukturieren sie ihre Lebensräume und die damit verbundenen biologischen Gemeinschaften, von denen sie abhängen.
Die Vegetation abseits der Felsen ist daher ein wesentliches biologisches Element der Biodiversität.

 

III - Evolutionäre Dynamik von Pflanzengemeinschaften auf vertikalen Oberflächen und negative Auswirkungen menschlicher Aktivitäten.
1- Die Evolutionäre Dynamik. .
Die Einzigartigkeit dieser Gesteinsökosysteme ist ihr vertikales Element und die wichtige Rolle der Artenverteilung durch die Schwerkraft, die die Dynamik und Zusammensetzung von oft hochspezialisierten Pflanzengemeinschaften stark beeinflusst. Die Ausführung der pflanzlichen Gestalt und die Samenkeimung sind offensichtlich auf einer vertikalen Fläche viel zufälliger (Vidal). Wir wissen  daher, dass die senkrechte Lage und die physikalische Zusammensetzung dieser Oberflächen eine wichtige Rolle in der Dynamik der Erbfolge haben. Diese Dynamik erscheint langsam und die Evolution kann über Jahrzehnte unverändert bleiben.
2- Negative Auswirkungen durch menschliche Aktivitäten.
Wir haben zwei Haupttypen von senkrechten Oberflächen betrachtet:
a) Vertikale Wände, leicht zerklüftet.
Die evolutionäre Dynamik ist sehr langsam. Durch menschliche Nutzung dieser Flächen wird das Gestein leicht abgetragen. Pionierpflanzen wie z.B. Flechten siedeln hier nicht mehr an. Die instabile Umgebung führt zu dem auswaschen von Substrat in Löchern und Rissen, damit fehlt der Ansiedlung von Pflanzen die weitere Grundlage.
b) Senkrechte Wände mit vielen tiefen Rissen.
Bei stark rissigen Wänden wird die Ansiedlung von Pflanzenarten durch die Tiefe der Risse beeinflusst. Die Abfolge der verschiedenen Stadien der evolutionären Kette (Die Stadien der Evolutionsreihe) wird hier schneller sein. Je nach Risstiefe kann mehr und mehr Substrat aufgenommen werden welches zusätzlich je nach Volumen auch Feuchtigkeit für trockene Zeiten aufnehmen und bevorraten kann. Auch hier hat das menschliche Zutun eine negative Wirkung. In der Tat sind die meisten geschützten Pflanzenarten sehr empfindlich wenn man auf ihnen trampelt. Zudem ist das Phänomen der Anthropochori, die Samenausbreitung durch den Menschen, eine Gefahr für diese Ökosysteme. Wir finden eine allmähliche Rückbildung der natürlichen Flora und eine weit verbreitete Kolonisation, in den Rissen zum Beispiel, durch Süßgräser (Poaceae). Diese haben in diesem Umfeld den Vorteil, dass Sie gegen menschliche Eingriffe  und invasive Arten wie z.B. Efeu und Brombeersträucher, resistenter sind. Diese Überlegenheit führt zum stetigen Rückgang  geschützter einheimischer Arten.

Lactuca perennis

Helianthemum apenninumprint-15.jpg

Freyr flore

IV-Biodiversität und Lebensgeschichte. .
 Der Begriff Biodiversität umfasst die Artenvielfalt, genetische Vielfalt und Lebensraumvielfalt.
Die Bedeutung der genetischen Vielfalt heißt:.
"Die Vermischung von Genen durch sexuelle Fortpflanzung ist der Schlüssel zur Evolution und der Anpassung von Arten an sich ständig verändernde Bedingungen. Klonen sorgt für eine effektive Verbreitung, lässt jedoch diese Plastizität nicht zu. Pflanzen die sich ausschließlich durch vegetative Vermehrung fortpflanzen, könnten sich nicht weiterentwickeln, neue Lebensräume besiedeln oder Anpassung an sich ändernde Bedingungen in einer Umgebung vollziehen, in der sie bereits etabliert sind ".
(Christophe Belin - Klinischer Dozent an der Universität von Perpignan). .
Es ist daher wichtig, dass die Pflanzen einen kompletten Lebenszyklus durchlaufen können. Die kritischste Periode ist offensichtlich die Frühlingsblüte; leider ist es auch die Zeit, in der wir den größten menschlichen Gebrauch sehen. .
Während in einigen Ländern angemessene Beschilderung einen ausreichenden Schutz zu bieten scheint, müssen wir feststellen, dass dies in unserem Land nicht der Fall ist. Als aktive Beobachter seit 1997 fühlen wir uns verpflichtet die Behörden deutlich und nachhaltig über diese Erkenntnisse zu Infomieren. Leider hat das zu keinen signifikanten Ergebnissen geführt. Tatsächlich beobachten wir leider jedes Jahr, dass geschützte Arten bewusst entwurzelt oder zertrampelt werden

Ich danke meinem Cousin Udo Bungart, der meinen Text auf Deutsch freundlicherweise korrigiert hat.

Guy Bungart Dezember 2015